eMail vom 16.08.06 an einen Kolumne-Schreiber einer Wochenzeitung, in der dieser der Totalüberwachung letztendlich Zustimmung signalisiert.
Hallo W. xxxxx,
wer in Sachen Überwachungsstaat keine eindeutige Einstellung dagegen hat, dem ist wirklich nicht zu helfen in seiner unheilvollen Kurzsichtigkeit.
Ein unbestimmter Teil der Westdeutschen Bevölkerung, die Pressefuzzies und die Politiker in der Bundesrep. und sogar ein Teil der gelernten DDR-Bürger haben sich seinerzeit über die Zwangsneurose bestimmter Mitglieder der angeblichen Arbeiter- u. Bauernpartei, alles und jeden möglichst lückenlos überwachen zu wollen, zu Recht aufgeregt. Die perfekte Horch- und Guck-Gesellschaft.
Heute sollen die wie auch immer gearteten terroristischen Bedrohungen dafür herhalten, die Bevölkerung mürbe zu machen und dazu zu bringen, auf das Angebot der Totalüberwachung durch den Staat dankbar und unterwürfig - einsichtsvoll - einzugehen, es einsichtig anzunehmen und zu verinnerlichen, getreu dem fatalen wie dämlichen Spruch "Ich habe doch nichts zu verbergen". Das Denunziantentum wird zur Bürgerpflicht.
Die Stasi hätt's gefreut, die Gestapo ebenfalls, über derart ausgefeilte, engmaschige Überwachungs- und Fandungsmechanismen verfügt zu haben. Hätten doch bei einer so lückenlosen Überwachung und hochgradigen Bespitzelung Widerständler oder andere Verfolgte dieser Regime noch weniger agieren können und überlebt.
Widerstand gegen Unrecht-Systeme, gegen Diktaturen, gegen verbrecherische Gesellschaftsstrukturen wird mit der zunehmenden Überwachung und der enormen Verbesserungen im erkennungsdienstlichen Bereich nahezu unmöglich gemacht. Elende Widerständler könnte man alsdann jederzeit unschädlich machen, bevor sie auch nur ein ketzerisches Flugblatt hätten entwerfen, drucken oder gar unter die Leute bringen können. Jedes am Papier oder in seiner Umgebung gefundene Haar oder Spuren eines Schweißtropfens würde zum Übeltäter den Weg weisen. Der Massenspeichelprobe und DNA-Analyse sei Dank! Dagegen sind die von den Stasischnüfflern in Einweckgläsern gesammelten Duftproben geradezu harmlos.
Doch wer denkt heute schon an die weit reichenden Folgen einer größtmöglichen Überwachung jedes einzelnen Bürgers und seiner staatsbürgerpflichtbewusst und von der eigenen Unschuld überzeugt abgegebenen Speichelprobe? Auch die Mehrzahl der heutigen Journalisten scheint mir hierzu viel zu bescheuert.
Niemand von uns kann eine Garantie dafür geben und wird diese auch von niemanden erhalten, dass ausgerechnet die
bundesdeutsche Demokratie und ihr Rechtstaat auch tatsächlich unerschütterlich bestehen bleiben und welche Kräfte
welcher moralischen Qualität schließlich im Lande das Sagen haben werden. Selbstkasteiung ist fehl am Platze.
Missbrauch der Gutgläubigkeit der sich törichterweise unschuldig fühlenden Bürger ist hier vorprogrammiert. Erinnern
wir uns: So mancher sich für die Guck- und Horchgemeinde völlig uninteressant gehaltene Bürger in der DDR war platt,
als er nach dem Ende des SED-Regimes erfuhr, dass auch für ihn bereits ein Platz in einem der heimlich von den Machthabern
vorbereiteten Internierungslagern vorbestimmt war. - Lernen wir wirklich nichts dazu?
Doch ist die Speichelprobe einmal abgegeben und der biometrische Fingerabdruck abgesegnet gibt es kein zurück mehr; das potentielle Fandungsfoto aus der allgegenwärtigen Videoüberwachung oder dem fälschungssicheren Personalausweis ist dann das Sahnehäubchen für jeden Ermittler.
Erinnern wir uns: Die am Widerstand gegen die Naziherrschaft beteiligten Menschen sind von einem Freisler, Präsident des nationalsozialistischen Volksgerichtshofes und Co, auch als Terroristen bezeichnet und umgebracht worden. Als eben solche sind auch die Menschen im Namen des Volkes beschimpft, gejagt, getötet oder eingesperrt worden, die sich durch heimtückische Selbstschussanlagen, mörderische Minenfelder und teure Metallgitterzäune - von den angeblichen Demokraten "Antifaschistischer Schutzwall" genannt - den Weg in den Westen, in die (vermeintliche?) Freiheit bahnen wollten.
Was mich übrigens ganz nebenbei stutzig macht ist, dass bei Hinweisen aus der Bevölkerung auf des Terrorismus verdächtigte Persohnen von den staatlichen Fahndern früher 1 Million DM angeboten worden sind und heute immerhin schon 50.000 Euro Belohnung in Aussicht gestellt werden, bei der Fahnung nach Sexualstraftätern und "schnöden" Mördern aber gerade mal um die 3.000 Euro, wenn's hoch kommt. Der Unterschied macht's.
Fazit: Wir bleiben typisch deutsch.
Klaus - 21.08.06