Sabine Christiansen, 27.08.06 - Thema: Ausrangiert im besten Alter? höhere Steuereinnahmen und deren Verteilung
Hallo Ihr Damen und Herren Quacksalber,
da macht die Regierung ca. 9 Milliarden Plus bei Steuereinnahmen und durch Finanztricks und schon wollen sogar Journalisten wissen, wofür dieses Geld ausgegeben werden müsste: Unbedingt zur weiteren Senkung der Beiträge in die Arbeitslosenversicherung. Diese Berufssparte verspricht sich doch auch hier einen wenn auch simplen finanziellen Vorteil. Weniger Geld in die Arbeitslosenversicherung heißt, einpaar Euro mehr auf dem eigenen Girokonto.
Wenigsten hier wollen sie ein wenig vom Sozialabbau partizipieren, wenn das mit der CDU-Kopfpauschale bezüglich der Vereinheitlichung der Beiträge in die Krankenversicherung noch nicht geklappt hat. Das wäre auch zu schön gewesen. Plötzlich einpaar Hundert Euro weniger in die Krankenversicherung und dadurch mehr auf dem eigenen Konto. Der Geringverdiener zahlt die Zeche. Das, was die einen durch eine Kopfpauschale weniger zu bezahlen haben, müssen die anderen draufzahlen. Das nennen diese Leute dann Gerechtigkeit und Sicherung der Segnungen des Sozialstaates. Was für eine Heuchelei und Niederträchtigkeit, was für ein Zynismus.
Bei all der inzwischen zutage getretenen Qualität der Rechenkünste unserer Volkswirte, Nationalökonomen und Wirtschaftswissenschaftler kann einem Menschen mit gesunden Menschenverstand schob schwindelig werden. Die Sorge wächst, dass das Geld des Staates von Menschen verwaltet wird, die damit nicht umgehen können. Deren Berechnungen müssen fortlaufend korrigiert werden, was aber nicht heißt, dass das neuere Ergebnis auch stimmt. Da verrechnet man sich schon mal locker um einige lächerliche Milliarden. Ergibt die Falschrechnung eine angespannte Kassenlage, setzt sofort blindwütiger Aktionismus gegen den bestehenden Sozialstaat ein. Sozialleistungen werden infrage gestellt, gekürzt, von Transferleistungen abhängige Bürger kriminalisiert und verleumdet, weiter entrechtet und entmündigt und abgestraft. Das ist Demokratie, wie sie menschenunwürdiger kaum sein kann. Obwohl, die damit verbundene Ungerechtigkeit ist durchaus noch steigerungsfähig.
Aber nicht nur die Gerechtigkeit bleibt auf der Strecke. Auch die Ernsthaftigkeit der Wirkungsmechanismen der Ökonomie. Hier im Besonderen die der Versicherungsökonomie. Selbst für Leute mit weniger Interesse an Ökonomie stellt sich die Frage, wie das zusammengehen soll: Bei steigenden Ausgaben der Arbeitslosenversicherung bei immer weniger Einnahmen über Versicherungsbeiträge die Senkung der Versicherungsbeiträge plausibel zu machen. Jede Versicherung, nehmen wir mal die Kfz-Versicherungsbranche, wird ihre Versicherungsprämien erhöhen, wenn die Ausgaben für Versicherungsleistungen gestiegen sind. Das ist nachvollziehbar. Oder bei den Krankenkassen. Kein Mensch wird Verständnis signalisieren dafür, das die Kassen ihre Beiträge absenken, obwohl die Ausgaben steigen. Doch halt! Der Versuch ist hier gemacht worden, aber voll in die Hosen gegangen. Da hat man schnell korrigiert.
Nur bei der Arbeitslosenversicherung, einer Versicherung der Arbeitnehmer gegen die unberechenbaren Risiken im Arbeitsmarkt, da will man alle mathematischen Gesetzmäßigkeiten ignorieren und die Quadratur des Kreises hinkriegen. Da werden trotz steigender Ausgaben für Versicherungsleistungen bei Arbeitslosigkeit und geringeren Einnahmen durch weniger Beitragszahler die Senkung des Versicherungsbeitrages gefordert und auch durchgesetzt.
So kann man ein bis vor Hartz und Co
funktionierendes Sozialsystem ganz schnell kaputt machen und dorthin kriegen, wo man es hin haben will: Auf dem Müll der Sozialen Marktwirtschaft, wie diese übrigen auch. Die Frage stellt sich unweigerlich, wer hat eigentlich was davon? Die Arbeitnehmer ganz bestimmt nicht.
Da hilft auch kein Beten
Der Arbeitgeber soll weiter von Beiträgen in die Sozialkassen befreit werden. Und das, obwohl er doch beteiligt ist am Entstehen z. B. von Arbeitslosigkeit und Krankheit bei den Arbeitnehmern. Also ist es nicht einsehbar, warum ausgerechnet einer der maßgeblichen Verursacher der dem Sozialstaat entstehenden Kosten an der Finanzierung dieser Kosten nicht mehr beteiligt werden soll.
Die Diskussion in der Christiansen-Runde um die angebliche arbeitsmarktpolitische Lage in 20-30 Jahren (!) halte ich für geradezu lächerlich bis töricht. Leute, die es eigentlich besser wissen sollten, reden doch tatsächlich davon, dass in dieser Zeit ein "ungeheurer" Arbeitskräftebedarf entstanden sein wird. Die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitnehmern steigt und Arbeitskräftemange bestehen wird. Solche Prognosen können wir erfahrungsgemäß als absolut vertrauensunwürdig beiseite legen. Diesen Rechenkünstlern und Zukunftsforschern unterläuft hier wieder der Fehler, der im Volkmund unter der Redewendung "Die Rechnung ohne den Wirt gemacht" bekannt ist. Der CDU-Mann Heiner Geißler geht sogar noch etwas weiter und behauptet, dass in 3, 4 Jahren eine kräftige Nachfrage nach Arbeitskräften bestehen wird. Schön, wenn der das noch erleben dürfte.
Die Rolle des unberücksichtigten Wirtes übernimmt in diesem Falle die Tatsache, dass die Entwicklung der Technologien, der Technik und Automatisierung noch schneller und effizienter voranschreitet. In 20-30 Jahren werden somit viele Tätigkeiten von Menschen nicht mehr ausgeführt werden, an die heute vielleicht von diesen Träumern oder Ignoranten gedacht wird, dass sie das Potenzial haben, Arbeitskräfte zu binden. Selbst in Bereichen der Dienstleistungen wie Pflegedienste zeichnet sich schon heute ab, dass künftig immer weniger Menschen zur Pflege der Alten benötigt werden dürften, wenn die Pflege leistenden Roboter zum Einsatz kommen. Vielleicht ist ein solcher Pflegeroboter allerdings so programmiert, dass er sogar noch Zeit hat für einpaar Streicheleinheiten für den zu Pflegenden, ganz im Gegenteil zu den Pflegediensten heute.
Dass es auch in der heutigen schwierigen Zeit nicht unmöglich ist, trotz fortgeschrittenem Lebensalter doch noch einen Job zu finden, soll das Paradepferd Lilo Friedrich belegen, die mit dem Ausscheiden von ihrem Boss G. Schröder und der verlorenen Bundestagswahl ihr Abgeordentenmandat im Reichstag verloren hatte. Eine der verlogenen Bildunterschriften war, sie hätte nach einem Jahr Arbeitsuche wieder einen Job gefunden. Zunächst könnte man annehmen, dass sie wieder einen Arbeitgeber gefunden hätte. Doch dem ist nicht so. sie fand in Wirklichkeit auch nach einem Jahr keine Arbeit, jedenfalls nicht als Arbeitnehmerin. Diesen Umstand hatte man nicht so deutlich herausgekehrt. In ihrer Ausweglosigkeit einen lohnabhängigen Job zu kriegen hat sie den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und ein Reinigungsunternehmen gegründet. Sie wurde also Unternehmerin. In der Bildeinblendung wurde sie allerdings fast immer als Putzfrau bezeichnet, was durchaus der Irreführung diente. Nicht jedem, der wie lange auch immer, vergeblich einen Arbeitsplatz, eine Anstellung sucht, ist es gegeben, dann in die Selbstständigkeit zu wechseln - aus den unterschiedlichsten Gründen. Das darf auch nicht erwartet werden.
Lilo entschuldigte sich doch tatsächlich für die auch von ihr als Bundestagsabgeordnete und Mitglied der SPD gemachten Fehler bei der Abschätzung der Auswirkungen von Hartz 4. Sie habe aber aus diesem Fehler gelernt. Ihre Partei müsse sich wieder mehr den Nöten der in dieser Gesellschaft Ausgegrenzten zuwenden. Sie sage das, auch wenn das populistisch klingt. Ja was denn, ist Populismus wirklich ein Schimpfwort? Was ist am Populismus eigentlich so verabscheuungswürdig? Was ist daran so falsch, die Interessen der unterprivilegierten Massen öffentlich zu artikulieren? Es handelt sich doch hier immerhin um die Lebenssituation von Menschen, die überwiegender Bestandteil unseres Volkes sind. Übrigens, die von den Politikern gemachten Fehler müssen die dadurch Geschädigten aushalten und damit fertig werden. Der Politiker kann zur Tagesordnung übergehen und neue Fehler einleiten. Das bracht sogar Sabine Christiansen zum Lachen. Sie amüsierte sich köstlich darüber, was Politiker mit Hartz4 unter den Betroffenen angerichtet haben.
Die jungen Leute werden in dieser Sabberrunde angehalten, schon in jungen Jahren für das Alter Vorsorge zu treffen (private Vorsorge), um einen gewissen Lebensstandard im Alter zu haben. Nichts als Hohn. Woher sollen die arbeitslosen Jugendlichen diesen Finanzstock fürs Alter anlegen, wo sie in jungen Jahren bereits von Sozialleistungen leben müssen? Diese Jugend ist in der Tat nicht zu beneiden. Und wer der schicksalhaften Globalisierung das Wort redet, trägt mit dazu bei, die Lebenssituation unserer Kinder weiter zu verschlechtern.
Ein weiteres von Frau Christiansen bemühtes Beispiel, wie ältere Arbeitsuchende noch einen Job finden, stellte Netto. Der neue Job bei Netto in Neuruppin war für diese wie ein Sechser im Lotto. - Kein Wort darüber, wie viel dieser Sechser tatsächlich wert ist, will heißen, was die ältere Verkäuferin dort eigentlich verdient und ob sie mit diesem Geld ihre Lebenshaltungskosten auch wirklich finanzieren kann oder nicht und möglicherweise trotz Job weiter am Tropf der Sozialleistungen hängt.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus - 27.08.06