Nichtwähler

Erfurter Gespräch: Moderator Herr Menzel, Gäste Prof.Jesse, Wahlforscher Reinhard Schlinkert, Oberbürgermeister von Erfurt, Herr Dowe, politik-digital

Der Nichtwähler

Im "Erfurter Gespräch" beim MDR vom 12.09.05 wurde darüber philosophiert, was einen Nichtwähler ausmachen würde, was ihn charakterisiert und was ihn schließlich motiviert, sich nicht an der Wahl zu beteiligen. Da gibt ein Professor der Politikwissenschaft seine armseligen Groß-Löffel-Weisheiten zum Besten, dann ein Wahlforscher - was immer das auch ist - prahlt mit seinen Kenntnissen und Erfahrungen über und mit sowohl der Demokratie als auch der Diktatur, schließlich ein Akteur in der Politik, streng ausgerichtet durch sein Parteibuch der CDU, hier jemand, der Oberbürgermeister von Erfurt ist und eigentlich nichts zu sagen hatte und zu guter letzt ein Niemand, der versucht, Nichtwähler gegen die Angriffe der angeblichen Demokraten zu verteidigen aber ganz offensichtlich gegen Windwühlen kämpft. Dazwischen ein Moderator, der buchstäblich zwischen allen Stühlen sitzt.

Die Verteufelung und Verunglimpfung der angeblichen Nichtwähler hat System. Sie seien in der Regel Menschen ohne Bildung, ja sogar dumm und ohne Verantwortungsbewusstsein. Pauschal wird ihnen unterstellt, sie würden den kleinen Parteien am rechten und linken Rand der Gesellschaft zuarbeiten. Und hierin läge schon ein hohes Maß an Verantwortungslosigkeit. die Möchtegern-Demokraten sind in Wirklichkeit Demagogen, weil sie nicht in der Lage sind, die Verschiedenartigkeit von Verhaltensweisen gegenüber politischen Belangen zu respektieren.

Wenn jemand der Auffassung ist, dass es keine Politiker, es keine Partei gibt, die es nach seiner Auffassung von ehrlicher, dem Volke dienenden Politik verdienen, von ihm gewählt zu werden und er begründete Zweifel hat über deren Seriosität, Loyalität und Glaubwürdigkeit, dann muss eine solche Verhaltensweise in einer echten Demokratie auch respektiert werden. Es soll nämlich auch Nichtwähler geben, die aus purer Verantwortung vor dem eigenen Gewissen sich an dem Wahlakt nicht beteiligen.

In der DDR waren Nichtwähler für die einen Staatsfeinde, für andere nahezu Helden. Wie heute über Nichtwähler hergezogen wird, wie Politiker und Medienvertreter über diese Bürger herfallen und sie verunglimpfen, ist Ausdruck von ganz erbärmlicher Verlogenheit und Unaufrichtigkeit und Ignoranz.

Wenn ich damals in der DDR mich nicht an den Volkskammerwahlen beteiligt habe - von denen nahezu jeder leidlich normale Mensch wusste, dass diese nur eine unwürdige Farce, ein gesellschaftliches Theater waren - geschah das nicht aus Jux und Dollerei, sondern aus Verantwortungsbewusstsein heraus mit dem Willen, sich an solchen verlogenen, schwachsinnigen Vorgängen nicht zu beteiligen, die sich letztendlich gegen einen selbst und jede Vernunft richteten. Mit den immer wieder eingesetzten Argumenten gegen die Nichtwähler will man selbstständig denkende Menschen einschüchtern und auf Linie bringen. Wie hieß eine der zahlreichen wie anmaßenden Sprüche der SED damals in der DDR? "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!" Nichtwähler in der DDR wurden schikaniert, diskriminiert, verfolgt und gelegentlich weggesperrt. Heute macht man Nichtwähler runter, man macht sie unmöglich, man macht sie verantwortlich, wenn Randparteien Stimmen gewinnen und diffamiert sie als dumm und verantwortungslos. und sie wüssten nicht, was sie tun!

Wenn ich als denkender Mensch und Bürger dieses Landes die Politiker und deren Parteien und Organisationen für verkommen, unglaublich verlogen, maßlos egozentrisch und beschämend karrieresüchtig und skrupellos halte, dann schließt sich für mich eine Beteiligung an deren Politiktheater und an einer immer deutlicher werdenden Scheindemokratie gänzlich aus. Ich will nicht den Interessen von eiteln, machtbesessenen wie geldgierigen Privatpersonen dienen und genau so wenig deren Zielen. Deshalb kriegen diese Leute meine Stimme nicht. Und weil selbst schon mit einer bloßen Wahlbeteiligung - z.B. alles auf den Listen durchstreichen - Schindluder getrieben wird und mich zum vermeintlichen Befürworter einer solchen zweifelhaften Demokratie macht, gehe ich in kein Wahllokal!

Sogar die Wahlbeteiligung selber wird dazu missbraucht, Maßnahmen gegen die Interessen der Mehrheit des Volkes zu legitimieren.

Es gibt verschiedene Motivationen dafür, sich an Wahlen nicht zu beteiligen:

  1. die Bequemlichkeit
  2. das Desinteresse
  3. die Dummheit
  4. die Frustration
  5. das Verantwortungsbewusstsein
  6. das Gewissen und die Selbstachtung.
    1. Klaus - 12.09.05