Jugendweihe?

Mein lieber Klaus Hartmann, mein lieber Scholli,
habe Deinen Artikel "Freidenker und die Interessen ..." (http://freidenker.de ) gelesen. Als unbedarfter 14 Jähriger fand ich diese Deine DDR auch noch in Ordnung. Alle Sorgen und Nöte des Alltags wurden ja von den Eltern abgefangen. Doch spätestens mit dem "UTP" und der unmittelbaren Konfrontation mit den Arbeits- u. Lebensbedingungen der "Werktätigen", des Proletariats, der Arbeitnehmer im "entwickelten" Sozialismus und "ihren" Volkseigenen Betrieben musste ein wacher Verstand die zum Himmel schreienden Widersprüche einfach wahrnehmen. Und für die gab es in dieser DDR-Gesellschaft keine Chance auf Auflösung. Diese Deine Gesellschaft war in Wirklichkeit nicht menschlich zu gestalten. Sie mußte daher scheitern. Sie scheiterte auch an der Unaufrichtigkeit und Verlogenheit und der blindwütigen Phrasendrescherei der Menschen. Eine Gesellschaft, die freies, selbständiges Denken kriminalisierte, konnte und durfte auch nicht überleben. Nur die Menschen, die sie getragen, die sie eigentlich zu verantworten haben.

Die Jugendweihe war eine schreckliche Einvernahme der jungen Menschen. Nehmen wir mal die Jugendweihen vor Honecker. Allein schon der Unterschied zwischen den dicken Büchern, die es für jeden Teilnehmer gab. Ich hatte noch die ursprüngliche Ausgabe. Die war nicht ganz so schlimm.

Du zeigst in deinem Artikel, dass Du bis heute noch nicht dahintergestiegen bist, wozu diese Jugendweihe eigentlich gedient hat und missbraucht worden ist. Und die Eltern, die heute noch diesem Kult anhängen, denen geht es so wie Dir. Viele sind darunter, die sich in dieser DDR zu sozialistischen Persönlichkeiten haben deformieren lassen und "Karriere" gemacht haben. Sie haben sich qualifiziert. Doch bedenke: Dummheit lässt sich nicht weglernen. Aber sie triumphiert. Die meisten der Leute, von denen ich rede, sitzen heute auch wieder an den fetten Futtertrögen und nehmen alles mit was geht, fahren inzwischen wie ihre Landsleute im "Westen" dicke Autos und schimpfen ganz nebenbei auf die für sie neue "Marktwirtschaft".

Die DDR war ein menschenverachtendes System. Das System ist von Menschen gemacht worden, so wie das Hitlerische. Es ist von Menschen gemacht worden wie Du und i ... ach nein, ich war nicht dabei! Wenn Du von Errungenschaften der DDR redest, die wir erhalten sollten, dann müsste uns der Autobahnbau Hitlers auch mit Stolz erfüllen. Hitler hatte mit diesem makabren Autobahnbau zunächst die Arbeitslosigkeit beseitigt.

In der DDR gab es auch keine Arbeitslosen. jedenfalls nicht offiziell. Und das bestimmt nicht, weil die Wirtschaft boomte oder die soziale Verantwortung der Gesellschaft dies nicht zugelassen hätte. Sogar mit der Gleichberechtigung der Frau wurde schamlos und zynisch Schindluder getrieben. Frauen durften Traktor fahren und sich die Gebärmutter durchschütteln lassen. Sie durften in 3 Schichten schwer arbeiten. Sie durften jeden noch so mörderischen Job annehmen. Und sie durften auch noch bei aller beruflichen Zwanghaftigkeit Kinder gebären. Nur vom Verdienst her, da wurde ihnen in den traditionellen Frauenberufen ein Lohn gezahlt, der hinter dem ohnehin schon niedrigen Lohnniveau der Männer zurückstand. Sicher gab es auch Leute, die gut verdienten, meist unverdient; und es waren die falschen.

Also Klaus Hartmann, versuche es mal mit Deinem gesunden Menschenverstand. Orientiere Dich an den damaligen Realitäten, nicht an den Phrasen und Hirngespinnsten. Freidenker? Freier Deutscher Gewerkschaftsbund, Freie Deutsche Jugend, Demokratischer Frauenbund Deutschlands, Deutsche Demokratische Republik. Scheet.

13.11.00

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