Gast-Gedicht

(Mit freundlicher Genehmigung des Verfassers)

Ode an die Finanzverwaltung (1999, dem Finanzamt Berlin-Wedding gewidmet)

Die Drachenzähne, sie sind ausgesät -
Zu spät,
der Boden wird schon rissig,
die Erde hat so ein Rumoren,
im Gedärme
so ein Grimmen,
es wankt das Fundament,
der Staat,
der stehen sollte,
kriecht und siecht:
Woher die schwüle Wärme?
und wie es seltsam riecht!
Und bissig im Spott,
gleichgültig sitzt der Bürokrat,
der keine Einsicht kennt,
in seinen Amtsgemächern;
er läßt sich´s wohl sein,

hat er doch ausgesorgt,
wird hochgefahren auf der Leiter,
ein Rädchen
in einem Uhrwerk,
ein Zwerg
und doch so unangreifbar überlegen:
es gibt im Staate noch die Stätchen,
und ist der Wohlstand auch geborgt.
Dem schwachen Bürger,
der da schuftet, schwitzt,
halbtot,
die Zeit nicht findet
für den Schacher,
dem bleibt da nichts zu lachen,
im Griff der Würger
kommt er ja nicht weiter,
er kann nicht gewinnen.
Der Außenhandel blüht,
bezahlt mit eig´ ner Steuer,
das Geld, das Kapital
verdient
an dieser Oper
"Flucht nach Europa":
der Euro, er wird teuer,
der Kleine sieht es und hat doch keine Wahl;
sein sauer Erspartes zerrinnt ihm in der Hand,

die letzten Deutschen allein,
die bleiben ohne Geld und Vaterland:
Das Grundgesetz in die Vitrine,
dem Schewardnadze eine Panzerlimousine!
Das Recht,
es kommt ganz krumm daher,
es ist gebeugt schon lange;
wer es noch sucht,
der forsche besser im Kleingedruckten
unter Krucht
und reih´ sich folgsam in die Schlange
der Geduckten.
Sie haben euch so weit gebracht:
ihr fühlt nicht mehr, ihr rechnet nur,
und der Computer,
surrend abgekühlt,
und unbeirrt auf seiner Trasse,(was tut er?)
Er denkt in einer Tour
für euch, lenkt
euer Leben
Tag und Nacht -
Vernunft und Logik an der Kasse abzugeben!
Die Erde bebt,
bewegt - sich bäumend ein letztes Mal -
die Szenerie.

In das Geräusch der Kaffetasse, in das Geklüngel,
in kleinlichem Gezank
- die Pflicht versäumend-
der Beamten mischt sich Geklirr
und namenloses Schreien vor Qual!
Sieh!
Der Feuerdrache
wälzt dort sich durch die Straße,
Gezüngel ohn´ Verzeihen!
da hilft nicht mehr die Wache,
der Löschzug!
Und ich erkenn´ ihn wohl jetzt,
den Gestank
von frisch verbranntem Fleisch;
genug,
ich weiß,
daß ich vergeblich harre!
Denn solche Glut zu stillen,
braucht ´s eine Eiszeit, die sie dämpft.
Die Starre,
die mich verletzt,
die ich bekämpft
mit Willen,
mit Mut bekriegt,
zuletzt hat sie gesiegt.

Dr. Wolfgang Wagner

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