Arm durch Arbeit - reich durch Hartz4

Sabine Christiansen am 28.05.06




Thema: Arm durch Arbeit - reich durch Hartz4

Gäste: Sternreporter Hans-Ulrich Jörges, WASG Mitglied Lucy Redler, Markus Söder, CSU Generalsek., Klaus Wiesehügel, IG Bau, Wolfgang Clement, SPD,

Söders Lieblingsvokabel ist: "gerecht". Dabei hat er ganz offensichtlich ein Problem mit dem Begriff "gerecht". Für ihn ist es gerecht, wenn die schamlos unterbezahlte Kassiererin an der Supermarktkasse etwas mehr verdient, als ein Arbeitsloser an Sozialtransferleistungen zum nackten Überleben erhält. Darum müsse ein Abstand zwischen dem Einkommen der Geringverdiener und den ALGII Empfängern hergestellt werden. Für den christlich-sozialen Söder funktioniert seine Auffassung von gerecht so, wenn zu diesem Zwecke nicht etwa, wie der gesunde Menschenverstand eigentlich vermuten lässt, der Lohn der Niedriglöhner heraufgesetzt, sondern die Leistungen an die Hilfeempfänger weiter herunter geschraubt werden. Das ist gerecht im Sinne Söders. Das ist Söders Gerechtigkeitsverständnis - schauerlich.

Der christlich-soziale Söder stört sich dazu noch daran, dass Menschen trotz ALGII-Bezug auch noch Urlaub beantragen, frech und maßlos wie sie sind. Einerseits ist Söder zwar der Meinung, diese Leute würden zu viel Geld fürs Nichtstun erhalten, andererseits kann er nicht verstehen, wie Menschen mit so wenig Geld noch Urlaub finanzieren können sollen. Was für ein christlich-sozialer Bockmist.

Söder baut voll auf das Prinzip Sozialneid - vor allem unter den Geringverdienern und den ganz armen in dieser Bevölkerung. Sollen die Betroffenen einer verfehlten, dilettantischen, völlig asozialen - ich nenne das schon obszönen - Wirtschafts- und Sozialpolitik gewissenloser Volksvertreter und Wirtschaftsmänecken, sich doch gefälligst selbst zerfleischen.

CSU-Söder will ernsthaft die Telefonüberwachung der Arbeitslosen rund um die Uhr. Wenn technisch machbar, bekommen Arbeitslose - unter dem Sammelbegriff Volksschmarotzer - einen Sendechip unter die Haut, damit deren Aufenthaltsort jederzeit festgestellt werden kann.

Clement, der Wolf aus der leidigen SPD, hat sich längst aus seiner Verantwortung an der von ihm mit angerichteten Verelendlichung von Millionen Menschen gestohlen. Er redet so, als kommentierte er die Misserfolge und das klägliche Versagen anderer in der Arbeitsmarktpolitik. So sind sie halt, "unsere" Volksvertreter. Erst gewaltigen Schaden anrichten und dann so tun, als hätten sie sich nichts zu Schulden kommen lassen.

Sternreporter Hans-Ulrich Jörges beklagt, dass immer mehr Menschen sich sogar von der Zwangsabgabe an die Öffentlich Rechtlichen Rundfunkanstalten befreien lassen. Wo lebt dieser Mann eigentlich? Wenn es immer mehr Arbeitslose, Langzeitarbeitslose in dieser Gesellschaft gibt, können folglich immer mehr Menschen diese Zwangsgebühr an die GEZ nicht mehr aufbringen. Diesen Betrag benötigen sie nämlich dazu reich zu werden mit Hartz4.

Reich werden mit Hartz4. Dieses Thema ist übrigen viel zu kurz gekommen. Es wurde nur ganz am Rande und dazu undeutlich erwähnt. Noch mehr vernachlässigt wurde das Thema Arm durch Arbeit. Hierüber hätten die zweifelhaft geistreichen Akteure die ganze Sendezeit hindurch eifrig debattieren können. Denn es gibt nicht nur Armut per Gesetz in diesem unserem Lande, es gibt tatsächlich auch Armut durch Arbeit, übelst schlecht bezahlte Arbeit, insbesondere durch moralisch zutiefst verkommene Subjekte, die sich auch Arbeitgeber, Unternehmer nennen; und durch ebenso entartete Bürokraten bzw. Angestellte in den Amtsstuben der Städte und Gemeinden, die Menschen für einen Euro für die Öffentliche Hand arbeiten lassen. Das ist Rückkehr in die Leibeigenschaft, wenn nicht gar in die Sklaverei. Aber wer will das schon wahrhaben?

Jörges ist überzeugt, dass das ALGII viel zu hoch und sein Missbrauch an der Tagesordnung ist. Er fordert wie Söder einen deutlichen Abstand des Einkommens durch Erwerbsarbeit von der Sozialalimentation. Und das eint sie noch: Beide zäumen das Pferd von hinten auf! Und sie merkens nicht.
Vielleicht empfindet dieser Tausendsasser-Journalist es sogar schon missbräuchlich, wenn ALGII dazu führt, dass die Menschen am Rande dieser unheilvollen Karriere-Monopoly-Gesellschaft es tatsächlich schaffen, mit diesem Geld überhaupt zu überleben. Warum wird den ALGII-Abhängigen immer wieder massiv suggeriert, dass sie ein immer unerträglicher werdendes Päckchen auf den Schultern derer sind, die mit ihrer Arbeit und den daraus folgenden Abgaben das Sozialsystem finanzieren? - Warum werden die mehr oder weniger aktiven Beitragszahler immer massiver daran erinnert, dass sie das Leben von angeblichen arbeitscheuen Schmarotzern finanzieren?

Wie in jedem Jahr müssen die Spargel- und Gemüsebauern wieder als Beleg für arbeitsunwillige Zeitgenossen ran. Erntehelfer aus Deutschland sind schwer zu kriegen. Und das, obwohl doch Millionen potentielle Helfer in ihren sozial abgepolsterten Hängematten herumliegen. Spargelstechen und danach als Pilot im Gurkenflieger durch den Spreewald robben, dazu sind sich diese Millionen Menschen zu schade. Das überlassen sie lieber den arbeitshungrigen Polen oder Rumänen. Für diese Menschen scheint nicht die hierzulande überstrapazierte Phrase zu gelten: Arbeit muss sich lohnen. Denn die arbeiten für einen Lohn, von dem sie hier in Deutschland weder sich selbst noch viel weniger eine Familie durchbringen könnten. Dafür sorgen schon die überhöhten Mieten, die überhöhten Energiepreise und auch die überhöhten Versicherungskosten für Rente und Krankheit. Ein Gurkenflieger z.B. könnte vom Erlös seiner schweren Arbeit nicht einmal die Forderung der Krankenkasse bedienen, wenn er abgestürzt ist und medizinisch betreut werden müsste.

Was wäre, wenn alle potentiell in Frage kommenden Erntehelfer plötzlich bei Spargelbauer sowieso auf dem Feld stehen und wie eine Heuschreckenplage über die zarten Spargelspitzen herfallen würden? Ein Heer von Millionen fleißiger, hingebungsvoller Spargelstecher? Der Erlös der Ernte wäre futsch, selbst wenn der Spargelbauer die Leute nur für einen Bruchteil eines Euros arbeiten ließe.

Was für armeselige, asoziale Heuchler!

Klaus 29.05.06